Endstation Donau by Edith Kneifl

Endstation Donau by Edith Kneifl

Autor:Edith Kneifl
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon
veröffentlicht: 2014-08-14T04:00:00+00:00


20. Wien

Toni hatte Angst. Er musste dauernd an Markos Tod denken. Die Gedanken an das schreckliche Ende seines Freundes ließen sich nicht vertreiben.

Er hatte den kleinen Rumänen vor einem Jahr in einem Beisl in der Leopoldstadt kennengelernt. Er erinnerte sich nicht gern an diese verhängnisvolle Nacht. In dem letztklassigen Hotel- oder besser gesagt Bordellzimmer fiel ihm jedoch ihre erste Begegnung wieder ein.

Er hatte die Zeche nicht bezahlen können. Es war zu einer Prügelei gekommen. Der Wirt hatte gedroht, seine hübsche Visage zu Brei zu schlagen.

Da setzte Marko den Muskelprotz mit ein paar gezielten Faustschlägen außer Gefecht. Bevor die Polizei eintraf, haute er mit dem leicht verletzten Toni ab.

Sie machten die Nacht in diversen Etablissements im Prater durch.

Toni ließ seiner Wut und seinem Frust freien Lauf. Bis in die frühen Morgenstunden schwafelte er dem kleinen Rumänen die Ohren voll. Ersparte ihm kein Detail seines beschissenen Lebens.

„Ob du es glaubst oder nicht, ich war mal ein sehr bekannter Gitarrist. Bin mit meiner Band in den berühmtesten Lokalen Budapests aufgetreten. Es gibt jede Menge CDs von uns.“

„Ja, ja, ist schon gut, Mann“, hatte Marko gesagt.

„Im Ernst. Schuld am Ende meiner Karriere waren allein der Alkohol und die verdammten Weiber. Ich Trottel hab eine Gadje mit zwei Kindern geheiratet, weil sie von mir schwanger war. Mein Kind hat das Licht der Welt nie erblickt. Meine Ex behauptete, es verloren zu haben. Ich glaube, sie hat es abtreiben lassen. War schon mit ihren zwei Buben total überfordert. Die schöne Ilona hat sich leider gleich nach der Hochzeit als dumme Tussi entpuppt. Ihr Kaufwahn hat mich ruiniert. Da sie wegen der Kinder nicht arbeiten konnte oder wollte, ist es von Jahr zu Jahr finanziell weiter bergab gegangen. Wir haben eine Zwei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Budapest gehabt. Im Sommer hat es in diesem Plattenbau über vierzig Grad gekriegt. Im Winter haben wir uns den Arsch abgefroren.“

„Oh, Mann, das kenn ich. Die Winter in Bukarest waren auch scheißkalt. Heizöl war schweineteuer …“, hatte Marko eingeworfen.

„Ja, und Benzin wurde auch von Jahr zu Jahr teurer. Ich hab sogar meinen Mercedes verkaufen müssen.“

„Du hast einen Mercedes gehabt? Wow, Mann. Urgeil“, hatte Markos Kommentar gelautet.

„Einen schrottreifen. Trotzdem, er hätte es noch ein, zwei Jahre gemacht. Ohne Wagen war ich völlig aufgeschmissen. Bin zuhause herumgehangen und hab mir die Jammerei meiner Alten angehört. Es ging immer nur ums liebe Geld. Mit der Liebe war es bald vorbei. Nach dem Verlust unseres Babys hat sie mich kaum mehr rangelassen. Meine Band löste sich auf. Meine Freunde haben bei anderen Gipsy-Gruppen angeheuert. Und ich hab halt auf Klavier umgesattelt. Ich spiele jedes Instrument, das man mir in die Hand gibt. Angeblich habe ich das absolute Gehör. Das hat mal so ein Professor auf der Budapester Musikhochschule behauptet. Ich wollte damals studieren. Aber das ist eine andere Geschichte.“

Sie spazierten durch den Wiener Wurstelprater. Vorbei an den gespenstisch in den dunklen Himmel ragenden High-Tech-Attraktionen. Nächtliche Stille breitete sich über den hohen Türmen, den Hochschaubahnen, Geisterbahnen und Spielhöllen dieses berühmten Vergnügungsparks aus. Außer ihnen torkelten nur ein paar Betrunkene die Straße des Ersten Mai entlang.



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